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Freitag, 13. August 2010

Sandale wird mit ‚San‘ geschrieben...


Warum Rechtschreiben lernen mit der Silben-Methode? Die Silben-Methode ist keine neue Erfindung. Schon im 16. Jt. wurden Bibeln in Silbenschrift gedruckt - als Lesehilfe. Deutsch ist eine syllabierende Sprache (im Gegensatz z.B. zu Französisch). Dabei können 85% der Wörter in die Schublade „Standard“ einsortiert werden: zweisilbig, trochäisch, d.h., 1. Silbe betont und bedeutungsunterscheidend (nur hier findet Orthografie statt), 2. Silbe wird mit ‚e‘ geschrieben (also nicht ‚Tella‘).
Irgendwann begann man, die gesprochene Sprache zu verschriftlichen und verwendete dabei größtenteils bestehende Zeichen. Nicht für jeden Laut stand ein Buchstabe zur Verfügung, mehrere Laute heißen ‚e‘ oder ‚o‘, manche Laute bekamen eine Buchstabenkombination, z.B. ‚ch‘. Methoden wie „Schreibe, wie du sprichst“ oder „Schreibe nach Gehör“ führen daher so oft zu Missverständnissen.
Orthografie wurde aber nicht erfunden, um das Schreiben zu erschweren, sondern um das Lesen zu vereinfachen. Und so schwer ist das Ding mit der Orthografie ja gar nicht, wenn man von der Struktur der Silben ausgeht.

Schauen wir uns das deutsche Standardwort einmal genauer an:
Orthografie findet nur in der ersten Silbe statt, die zweite Silbe kennt Phänomene wie Dehnungs-h oder ie gar nicht.

Es gibt offene Silben: ‚Wo - ge‘. Und es gibt geschlossene Silben: ‚Wol - ke‘ oder ‚Wol - le‘. Im letzteren Fall beginnt die zweite Silbe mit dem Auslaut der ersten, daher das Doppel-l.

Ob ein Vokal lang (offene Silbe) oder kurz (geschlossene Silbe) gesprochen wird, hören viele Kinder nicht. Das habe ich selbst übrigens lange nicht verstanden, da der Unterschied für MICH doch so offensichtlich war - bis ich begriff, dass meine Wahrnehmung/ mein Gehör auch entsprechend geschult war. Ein Künstler zeigte mir zwei Grüntöne und fragte, welcher mir besser gefalle. Ich sah keinen nennenswerten Unterschied und sagte: „Beide! Ist doch egal.“ Für ihn lagen Welten dazwischen...

Die Anzahl der Silben kann man wunderbar klatschen. Wo liegt aber nun der Unterschied zwischen ‚Hü - te‘ und ‚Hüt - te‘? Man kann ihn fühlen. Bei ‚Hüt - te‘ berührt die Zunge am Ende der ersten Silbe den Gaumen, bei ‚Hü - te‘ noch nicht. Bei ‚Pup - pe‘ schließen sich die Lippen am Ende der ersten Silbe, bei ‚Po - pel‘ nicht.

Ist ein Kind an das Schreiben von Wörtern in Silben (z.B. blau-rot oder mit kleiner Lücke) gewöhnt, macht es ihm keine Schwierigkeiten, Vorsilben als solche zu erkennen. Es ist doch viel leichter, sich zu merken, dass die Vorsilbe ‚ver-‘ mit ‚v‘ geschrieben wird, als zu lernen, das „verschlafen, verdienen, verlieben, verkaufen,...“ mit ‚v‘ geschrieben werden.

Findet man sich auf der Silben-Ebene zurecht, geht man auf die Morphem-Ebene und leitet Wörter vom Wortstamm ab. Und dann gibt es natürlich noch ein paar Ausnahmen und Wörter nichtdeutschen Ursprungs...

Die Silben-Methode hat nichts mit Montessori zu tun, die Darbietung meines Materials, also die Form des Lernens aber sehr wohl. Der Sprachforscher - Phonogramm - Kasten bietet zu jedem „Phonogramm“ (‚aa‘ ‚ff‘ ‚sch‘ ‚ie‘...) eine Schublade mit Kärtchen, pro Kärtchen ein Wort. Das Kind arbeitet selbständig entsprechend seinem Lerntempo, liest die Wörter, lernt ihre Schreibung als Regel bzw. Ausnahme, sucht sich Wörter aus, die ihm gefallen und schreibt sie zur Übung ab, einzeln oder in einen ausgedachten Satz eingebettet.

Die Silben-Methode hat mich überzeugt, weil sie so natürlich ist. Sie ist dem Kind schon in die Wiege gelegt. Babys fangen mit „dada“ und „bababa“ an. Meine Tochter tat im Alter von zwei Jahren ihren Willen kund - mit Silben-Verstärkung: „Ich will ei - ne To - ma - te!“ und ein gutes Jahr später hieß es in einem Satz: „Ich will keine Schuhe, ich zieh Sandalen an und Sandalen wird mit ‚San‘ geschrieben, hähä!“
Warum sollte ich ihr irgendwann erklären, dass man Sandale ‚S - a - n - ...‘ schreibt?

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